Pressemitteilung im Nachgang der Fahrraddemo vom 10.10.2020

An den Erfolg der ersten zwei Samstage konnten wir diese Woche nicht anknüpfen.” So fanden sich lediglich 50 Menschen am Bahnhof in Wabern ein, um gemeinsam in den Dannenröder Forst zu fahren. Die Versammlungsleitung sieht einen zentralen Grund für das Ausbleiben der Teilnehmenden in der aktuellen Verfügung des Regierungspräsidiums (RP) Kassel. Demnach wäre eine Befahrung der Autobahn wegen des Wiederholungscharakters nur noch zwischen Wabern und Borken zulässig. Das RP kürzt somit die eigentlich angemeldete Strecke von 38km Autobahn ab Kassel nunmehr auf 6km.

Von dieser unverhältnismäßigen Beschränkung wollen sich die Demonstrierenden jedoch nicht aufhalten lassen. Sie haben bereits zwei weitere Veranstaltungen angemeldet – für den 17. und 24. 10. sowohl von Frankfurt über die A5 als auch erneut von Kassel aus über die A49. Auch der Rechtsweg sei vorbereitet, notfalls bis hoch zum Bundesverfassungsgericht. Die Anmelder gehen daher davon aus, dass die Versammlungen am 17.10. aus Protest abgesagt würden, weil bis dahin nicht mit einem positiven Gerichtsentscheid zu rechnen sei. Dafür werde der 24.10. nun aber mit maximalem Aufwand überregional beworben.

Mit unserem Protest wollen wir in erster Linie gegen Autobahnen demonstrieren und zwar explizit nicht nur gegen den Weiterbau oder für die Umwidmung der A49, sondern vor allem gegen den motorisierten Individualverkehr als primäres Verkehrskonzept der BRD. Die Autobahn ist der relevante Kern dieses Protestes, da sie den überregionalen Verkehrsfluss bewältigt und an ihrer Stelle zu allererst alternative Verkehrskonzepte großflächig ausgebaut werden müssen”, heißt es von der Versammlungsleitung. Solange die Autobahn und der motorisierte Individualverkehr (MIV) einen derartigen Stellenwert im gesamtgesellschaftlichen Verkehrskonzept einnähmen, solange bestehe besonderer Anlass für den Protest. In diesem Herbst soll der Dannenröder Wald gerodet werden und damit vollendete Tatsachen für den Ausbau der A49 geschaffen werden. Auch dagegen richte sich der Protest.

Die mit der Versammlung einhergehenden Beeinträchtigungen des Verkehrs sind aus Sicht der Veranstalter*innen hinzunehmen, insbesondere weil es zahlreiche alternative Verkehrsführungen gäbe. Darüber hinaus hätten vergangene Veranstaltungen auf der A49 bereits gezeigt, dass eine Umleitung des Verkehrs über Ausweichrouten möglich sei und dass (Grund)Rechte Dritter nicht in unzumutbarem Ausmaß beeinträchtigt würden. Ganz im Gegenteil bestehe für Privatreisende die Möglichkeit, auf das Schienennetz der deutschen Bundesbahn auszuweichen. Der Schwerlasttransport und Berufsverkehr, welcher an die Nutzung von Autostraßen gebunden ist, werde zwar behindert, der Protest richte sich allerdings auch ausdrücklich gegen diese Form des Gütertransports. Daher sei es durchaus verhältnismäßig, wenn nicht selbstverständlich, eine gewisse Beeinträchtigung der Gewerbetätigkeit hinzunehmen. Es handele sich in jedem Fall auch eher um geringfügige Einschränkungen, da die Betriebe entsprechende Transporte zeitlich verlegen könnten und überdies eine Sperrung der Strecke, selbst wenn diese jede Woche einmal bestünde, nicht einmal 2,5% des verfügbaren Zeitraums einnähme.

Es ist unerheblich, ob das RP Kassel die vorgeschlagenen Einschränkungen für zumutbar hält”, meint ein Unterstützer vom Versammlungsrechtsteam der breiten Protestbewegung gegen die A49. Tatsache sei, dass es sich bei einer Auflagenverfügung immer um den schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte handele, die nur in besonderen Fällen zulässig seien. Das bedeute, eine Verfügung wäre nur dann verfassungskonform, wenn andere Grundrechte durch die Ausübung der Versammlungsfreiheit derart eingeschränkt würden, dass dies einen stärkeren Grundrechtseingriff darstelle, als es die Verfügung tue. Ein solch schwerwiegender Eingriff entstehe jedoch durch die angemeldete Versammlung nicht.

Unabhängig davon sei es nicht zumutbar, den Aufenthalt auf der BAB 49 derart umfangreich zu beschränken und stehe auch in keinem Verhältnis zu Brisanz, bundesweiter öffentlicher Debatte und Wichtigkeit des Versammlungsthemas.

Es ist uns unbegreiflich, dass es in der heutigen Zeit, in der auch in den höchsten Gremien der BRD von einer Verkehrswende geredet wird, die Nutzung einer Autobahn zum Protest dagegen verboten werden kann.” Die Sonderstellung dieser Straßen sei angesichts aktueller politischer Diskurse und gesellschaftlicher Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr verhältnismäßig, argumentieren die Veranstalter*innen. Und weiter: “wie soll der Protest gegen Autobahnen wirkungsvoll und glaubhaft sein, wenn er nicht denselben Grundrechtsschutz erhält, wie der Protest an allen anderen öffentlichen Orten auch?”

Tatsächlich kam es bei zwei aufeinanderfolgenden Protestzügen über die A49, die im Abstand von 7 Tagen zueinander stattfanden, zu keinerlei chaotischen Verkehrssituationen. Es gab überschaubare Rückstaus, welche aber oft schon an einspurig befahrbaren Baustellenabschnitten umfangreicher entstünden. Das sei selbstverständlich, denn natürlich sei das Verkehrsnetz der BRD derart konstruiert, dass es mit solchen Belastungen souverän umgehen könne. Auch Versammlungen ein Mal pro Woche würden sich demnach in einer bundesweiten Betrachtung der Staumeldungen und Behinderungen des Verkehrs kaum bemerkbar machen.